skills.lab: Oliver, erkläre unseren Leser:innen bitte nochmals ganz kurz, was das Projekt12 des ÖFB ist?
Lederer: Ganz kurz erklärt ist Projekt12 ein gemeinsames Projekt von ÖFB (Österreichischer Fußball-Bund, Anm.) und den Fußball-Akademien um die talentierteste Spielern Österreichs auf intensive Art und Weise zu fördern, unterstützen und begleiten. Ein wichtiger Teil davon ist aus meiner Sicht die Kooperation mit skills.lab. Würden wir alle Facetten von Projekt12 im Detail besprechen, würde es wahrscheinlich den Rahmen des Interviews sprengen (lacht).
skills.lab: Nach welchen Gesichtspunkten werden die Projekt12 Spieler ausgewählt?
Lederer: Gesucht werden jeweils die fünf talentiertesten Spieler eines jeden Jahrganges. Die Spieler werden von den Talente-Coaches, Akademie-Leitern und den jeweiligen Teamchefs gemeinsam nominiert. Im Vorfeld werden die Spieler über einen längeren Zeitraum beobachtet und es gibt einen regen Austausch unter allen Beteiligten. Im Idealfall werden schon in der U15 jene Spieler ausgewählt, die dann auf ihrem Weg hin zu den Profis und beinahe während ihrer gesamten Nationalteam-Karriere begleitet werden.
skills.lab: Als U16-Nationaltrainer begleitest du die Entwicklung von Österreichs Toptalenten. Worauf kommt es im Umgang Spielern in diesem Alter besonders an?
Lederer: Wir haben es mit absolut großartigen Talenten zu tun. Gleichzeitig muss uns aber auch bewusst sein, dass es in diesem Alter noch sehr viele Entwicklungsmöglichkeiten gibt. Wir haben es hier mit Spielern in ihrer sensitiven Phase zu tun. Während einige Spieler noch in ihrer Pubertät stecken, haben andere Spieler ihre Pubertät schon abgeschlossen. Hier gibt es teilweise deutliche Unterschiede – nicht nur im sportmotorischen Bereich. Diese Tatsache macht auch einen objektiven Vergleich der Spieler oftmals schwierig und es ist eine besondere Herausforderung, die richtige Schlüsse aus Leistungstests zu ziehen. Hier kommt uns aber die Partnerschaft des ÖFB mit skills.lab sehr zugute. In der skills.lab Arena spielen die körperlichen Unterschiede der Spieler keine so große Rolle, und Spieler, die in ihrer physischen Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten sind, können genauso gut performen wie Spieler, die physisch schon sehr weit sind.
skills.lab: Welche Auswirkung haben die vergangenen 13 Monate im Zeichen der Corona-Pandemie auf die Entwicklung deiner Spieler gehabt?
Lederer: Hier muss man sagen, dass wir in einer absolut privilegierten Situation sind. Wir fallen alle in die Spitzensportregelung und konnten mehr oder weniger unverändert – natürlich unter strengen Auflagen und unter Berücksichtigung des Präventionskonzepts – unserer Sportart nachgehen. Die Jungs konnten trainieren und wurden auch persönlich betreut. Natürlich war die Situation gerade zu Beginn der Pandemie, als der Spielbetrieb eingestellt wurde, eine sehr schwierige. Gleichzeitig hat uns die Einschränkung des Spielbetriebs aber auch ermöglicht, dass wir uns wirklich intensiv mit jedem Spieler auseinandersetzen konnte. Hier konnten wir gezielt daran arbeiten, gewisse individuelle Schwächen auszumerzen, was im normalen Alltagsbetrieb oftmals in diesem Ausmaß gar nicht möglich ist.
skills.lab: Deine Spieler absolvieren demnächst Assessments in der skills.lab Arena. Welche Rückschlüsse für deine Arbeit erwartest du dir von diesen Assessments?
Lederer: Für uns sind die in der skills.lab Arena eine einzigartige Möglichkeit, den Spielern auf den Zahn zu fühlen. Die Testbatterie, die von Roland Goriupp (Head of Sports bei skills.lab, Anm.) und seinem Team entwickelt wurde, ist sehr „fußballnahe“. Erstmalig geht es dabei nicht darum, wie gut ein Spieler aus sportwissenschaftlicher Sicht im Bereich Athletik performt. Viel mehr stehen die grundlegenden technische Fähigkeiten sowie die kognitiven Fertigkeiten jedes Spielers im Mittelpunkt. Ich bin davon überzeugt, dass wir hier sehr wertvolle Rückschlüsse für die Auswahl der Projekt12 Spieler werden ziehen können. Am Ende des Tages wollen wir die besten Fußballspieler und hier ist die Zusammenarbeit mit skills.lab aus meiner Sicht einfach alternativlos, denn nirgendwo anders können die individuellen Fähigkeiten so gut – und nach aktuellem Stand der Wissenschaft – überprüft werden wie in der skills.lab Arena.
skills.lab: Die Technologie ist in jeglicher Lebenslage zu unserer ständigen Begleiterin geworden. Wie verändert die Technologie die Arbeit eines Trainers?
Lederer: Viele Dinge sind heute schon selbstverständlich – Video-Analyse, Überwachung des individuellen Trainings-Loads und vieles mehr. Sich der Technologie hier zu verwehren, ist einfach keine Alternative, und im Grunde auch gar nicht mehr möglich. Durch die Kooperation mit skills.lab haben wir die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit der Spieler noch genauer zu überprüfen. Im Umgang mit Technologien aller Art besteht die besondere Herausforderung darin, dabei den Spieler – und damit den Menschen – nicht aus dem Auge zu verlieren. Wenn uns das gelingt, dann sind Technologien wie die skills.lab Arena ein absolut unterstützendes Tool.
skills.lab: Wie kann dich ein Assessment- und Trainingssystem wie die skills.lab Arena in deiner täglichen Arbeit unterstützen?
Lederer: In meiner Rolle als U16-Nationaltrainer ist diese Frage etwas schwieriger zu beantworten, da wir nicht täglich mit den Spielern zu tun haben und leider auch nicht täglich mit ihnen ins skills.lab kommen können (lacht). Für Vereinstrainer ist die Arbeit in der Arena, aus meiner Sicht, besonders im Bereich des Individualtrainings sehr vorteilhaft. Es ist unglaublich, welche Möglichkeiten sich hier ergeben. Zusätzlich kann die skills.lab Arena auch ein wesentlicher Faktor im Bereich „Return-To-Play“ nach Verletzungen sein, indem individuelle Vergleichswerte generiert werden, um den vermeintlich richtigen Zeitpunkt für die Rückkehr ins Mannschaftstraining oder ins Spielgeschehen noch besser definieren zu können.
skills.lab: Was bedeuten für dich die Schlagworte „zeitgemäße Trainingsgestaltung“?
Lederer: Das wichtigste für mich ist, dass wir beim Spieler und damit beim Menschen an sich bleiben. Und dass wir versuchen, in einer Zeit, in der eine wahre Informationsflut auf uns einbricht, diesen Fokus nicht zu verlieren. Es ist verdammt schwierig für jeden Trainer, all die Informationen die es gibt, richtig zu selektieren um für jeden Spieler die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Diese didaktische Reduktion – was kommt beim Spieler an und was davon führt dazu, dass der Spieler das Spiel besser versteht – ist die besondere Challenge. Es gilt zu vermeiden, dass wir auf der einen Seite zu Informationsriesen, aber auf der anderen Seite zu Wissenszwergen werden, weil wir einfach nicht mehr die Möglichkeiten und die Zeit haben, all dieses Wissen auch zu vertiefen. Der Spieler muss im Vordergrund bleiben. Das ist das entscheidende Kriterium.
skills.lab: Wann ist das Projekt12 für dich erfolgreich?
Lederer: Ich kann hier wirklich nur für mich sprechen und nicht für alle Beteiligten rund um das Projekt12. Ich würde mir wünschen, dass das Projekt12 weiterwachsen kann und, dass das Projekt zu jeder Zeit auch offen bleibt für neue Möglichkeiten. Dass dieser Weg bis jetzt schon erfolgreich gegangen wird, zeigt unter anderem auch die Kooperation des ÖFB mit skills.lab. Vermutlich wird die skills.lab Arena in fünf Jahren nicht mehr dieselbe sein wie heute. Dasselbe gilt auch für das Projekt12. Hier müssen wir schauen, dass wir uns einfach ständig weiterentwickeln. Ich sehe es als wichtigen weiteren Schritt, dass wir hier im skills.lab die Möglichkeit gefunden haben, die Entwicklung der Spieler im Bereich der technischen und kognitiven Fertigkeiten, vielleicht so konsequent wie nie zuvor, zu unterstützen.
skills.lab: Zu guter Letzt noch – auf deinem Instagram-Channel verwendest du den Hashtag #derwegistdasspiel – was bedeutet dieser Hashtag für dich?
Lederer: Wie sich einfach vermuten lässt, leitet sich der Hashtag von „Der Weg ist das Ziel“ ab. Der Hintergrund ist, dass wir uns sehr oft mit der Definition von Zielen beschäftigen, die wir erreichen wollen. Die Frage, die ich mir persönlich stelle ist, was passiert wenn man ein Ziel erreicht hat. Deswegen ist das Spiel in seiner Unendlichkeit für mich das Ziel. Hier geht es im Grund darum, den Spielern das Spiel zurückzugeben, wie es Max Doller, einer meiner Co-Trainer, so treffend ausgedrückt hat. Und das ist unser Weg. Warum haben wir überhaupt mit dem Fußball begonnen? Die meisten würden sagen, weil wir einfach gerne Fußball spielen und Tore erzielen wollen. Es gibt kaum etwas, das bei einem Menschen eine größere Freude auslöst als ein Ball. Schon im Kindesalter sieht man diese Riesenfreude im Umgang mit einem Ball, egal ob die Kinder jemals ein besonderes Ziel oder eine Karriere im Fußball verfolgen werden. Let them play. Das ist im Grunde unser Auftrag als Trainerteam, dem wir uns mit voller Leidenschaft und größtmöglichen Enthusiasmus verschrieben haben.
skills.lab: Vielen Dank für das Gespräch!
Oliver Lederer (43) ist ehemaliger Fußballprofi (u.a. Rapid Wien, Admira Wacker) und aktueller Trainer des österreichischen U16-Nationalteams. Er ist im Österreichischen Fußball-Bund in der Traineraus- und -fortbildung als Bereichsleiter aktiv und fungiert dabei unter anderem als Kursleiter in der UEFA Elite Junioren A Diplom Ausbildung.