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Ausgesetzter Trainingsbetrieb
im skills.lab

Aufgrund der aktuellen Einschränkungen rund um die Verbreitung des Corona-Virus ist auch der Trainingsbetrieb im skills.lab eingestellt. Alle vereinbarten Trainings mussten daher leider abgesagt werden. Auf unserer Website sowie auf unseren Social Media Kanälen halten wir euch auf dem Laufenden, wann der Trainingsbetrieb wieder aufgenommen wird. In der Zwischenzeit: Bleibt zu Hause und bleibt gesund! Euer skills.lab Team
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Hoffenheim-Geschäftsführer Jan Mayer: „Entwicklung endet nie“
Jan Mayer im Interview:
Wo beginnt Talententwicklung, welche Faktoren beeinflussen den Weg eines Talents bis zum Profi und welche technologischen Verfahren können dabei hilfreich sein? Sportwissenschaftler, Diplom-Psychologe und Hoffenheim-Geschäftsführer Prof. Dr. Jan Mayer im Gespräch.

Warum lohnt es sich als Verein, unabhängig von seiner Größe, auf Talententwicklung Wert zu legen?

 

Mayer: Wir als TSG Hoffenheim bestehen jetzt seit 15 Jahren als Dorf in der Bundesliga und konkurrieren mit Weltstädten wie München oder Berlin. Jeder wirtschaftlich denkende Geschäftsführer hätte zu Beginn gesagt: Gute Idee, schöne Story, aber wie willst du Geld verdienen, wenn du kaum Reichweite generierst? Deswegen ist es unser Geschäftsmodell, hier Talente zu entwickeln, deren Transfererlöse zum Erfolg des Klubs beitragen. Dabei verfolgen wir zwei Ansätze. Einerseits, indem wir versuchen, Kinder möglichst früh für Fußball zu begeistern und eine Perspektive zu geben. Und andererseits Spielern mit unseren Methoden eine Chance zu geben, um ihr Potenzial voll zu entfalten und sich zu guten Transfers zu entwickeln. Für beide Ansätze haben wir ein Proof of Concept. Kinder entscheiden sich mittlerweile bewusst für uns und gehen nicht nach München oder Dortmund. Und in der Akademie hängt mittlerweile eine Reihe an Porträts von Spielern, die es als Profi bei uns geschafft haben.

 

Wie beginnt die Entwicklung eines Talents?

 

Mayer: Man sollte schon relativ früh dran sein, weil man dann Entwicklungsverläufe besser verfolgen kann. Grundsätzlich verläuft keine Entwicklung linear, sondern ist geprägt von Aufs und Abs. Gibt es aber so einen Verlauf, kann ich genau verfolgen, was dem Spieler gutgetan hat, was die Gründe sind, warum er stagniert oder sich möglicherweise sogar zurückentwickelt. Wir arbeiten hier mithilfe von Diagnostik und Technologie. Wenn du Potenzial entfalten möchtest, kannst du nicht so vorgehen wie in der Schule, wo mit allen das Gleiche gemacht wird. Es geht darum, individualisiert wahrzunehmenund zu beobachten, aber auch adäquat zu messen. Wenn ich frühzeitig damit anfange, habe ich weniger Leerkilometer und Entwicklungsschritte in die falsche Richtung gemacht.

 

Auf welche Entwicklungsschritte ist in den ersten Jahren besonders zu achten?

 

Mayer: Das Allerwichtigste ist, den Unterschied zwischen kalendarischem und biologischem Alter herauszufinden. Das ist ein Thema, das sich durch die gesamte Talententwicklung im Sport zieht, insbesondere wenn eine gute Körperlichkeit gefragt ist wie im Fußball. In unserer U15 hatten wir 2022 beispielsweise kalendarisch lauter 14- und 15-Jährige, die aber biologisch zwischen 12 und 17 Jahre alt waren. Das sind Kinder, die in die gleiche Schulklasse gehen, deren Schuhgröße aber zwischen 32 und 46 liegt. Da setzt sich natürlich zwangsläufig jener Spieler durch, der 30 Kilogramm mehr wiegt und 20 Zentimeter größer ist. Wir arbeiten hier deshalb mit Ultraschall-Messungen und bringen biologisch Altersgleiche in Trainings und Spielformen zusammen, um hier einen fairen Vergleich sehen zu können. Wenn ein Spieler, der biologisch jünger ist, im Kreis der biologisch Altersgleichen zeigt, dass er richtig gut Fußballspielen kann, sollte man Geduld haben, weil er irgendwann körperlich den entscheidenden Entwicklungssprung macht.

„Wenn du Potenzial entfalten möchtest, kannst du nicht so vorgehen wie in der Schule, wo mit allen das Gleiche gemacht wird. Es geht darum, individualisiert wahrzunehmen und zu beobachten, aber auch adäquat zu messen.“
Prof. Dr. Jan Mayer - Geschäftsführer TSG Hoffenheim

Der Trainer nimmt in diesen Jahren eine zentrale Position ein. Was macht einen guten Trainer im Nachwuchs aus?

 

Mayer: Ich halte nichts von dem Wettbewerb, der nur darauf abzielt, ein Riesentalent zu entdecken. Es gibt den sogenannten Pygmalion- Effekt, benannt nach einem Bildhauer in der griechischen Antike, der sich so sehr in die Statue verliebt, die er erschaffen hat, dass sie zum Leben erwacht. Der Effekt besagt, dass positive Erwartungen positive Leistungen bewirken können. Umgelegt auf den Fußball heißt das: Wenn sich ein Trainer wirklich für einen Spieler interessiert und sich in ihn hineinversetzt, dann wirkt sich das in den allermeisten Fällen positiv auf den Spieler aus. Wenn ein Trainer nur allen zeigen will, dass der Spieler das überschätzteste Talent ist, wird nichts passieren. Deshalb finde ich es wichtig, gegen diesen Trend zu arbeiten und zu sagen: Dieser und jener Spieler könnte ein großer Spieler werden und dafür 20 andere zu vergessen. Ich habe einmal unseren U15 Trainer gefragt, wer es von seiner Mannschaft schaffen könnte. Er hat gesagt: alle. Das ist die richtige Einstellung.

 

Ist es deshalb auch wichtig, bereits möglichst früh mit Individualtrainings zu arbeiten?

 

Mayer: Im Nachwuchsbereich ist das rein personell meist schwer möglich. Aber grundsätzlich sollte man sich schon dort fragen, ob es Sinn ergibt, dass die gesamte Mannschaft beim Auslaufen mit der gleichen Geschwindigkeit unterwegs ist. Oder ob es nicht besser wäre, drei Gruppen zu bilden, die an einen Ausdauer- oder Laktatwert angepasst sind. Oder ob es Sinn ergibt, wenn in einem Athletiktraining alle dasselbe machen und ob es nicht besser wäre, in unterschiedlicher Intensität zu arbeiten. In der NFL oder der NBA sind Einheiten für die gesamte Mannschaft immer nur Taktiktrainings. Alles andere passiert individualisiert. Hier gibt es sicherlich noch viele Dinge zu verbessern.

 

Der Übergang vom Nachwuchstalent zum Profi ist für jeden Spieler entscheidend. Ist danach die Entwicklung eines Fußballers zu Ende?

 

Mayer: Die Entwicklung endet nie. Es gibt Konstellationen, in denen man systemisch denken, also den Spieler und die gesamten Rahmenbedingungen um ihn herum bedenken muss. Als Psychologe ist das für mich wesentlich. Wenn einer nicht weiterkommt, frage ich mich, wie das System des Spielers aussieht und welche Komponenten des Systems sich verändern lassen, um die Entwicklung voranzutreiben. Spieler wie Kevin Vogt oder Nico Schulz waren Athleten, die sich in der zweiten oder dritten Reihe in ihren Vereinen befanden. Dann sind sie zu uns gekommen und haben einen großen Schritt gemacht. Daran sieht man, dass Entwicklung nie aufhört. Fußballerisch ist sie irgendwann zu Ende, aber als erwachsener Mensch entwickelt man sich ständig. Bis ins hohe Alter.

„Zwei Mal im Jahr werden alle Spieler vermessen. Ausgehend von diesen Daten entwickeln wir individuelle Entwicklungspläne, um nach einem halben Jahr feststellen zu können, wie die Entwicklung gelaufen ist.“

Trotzdem kann nicht jeder Profi in einer Top-Liga werden, auch wenn jeder davon träumt. Wie kann ein Verein einem Spieler eine realistische Perspektive für seine Zukunft geben?

 

Mayer: Das gelingt über diagnostische Verfahren und Vergleiche. Da sieht man dann schwarz auf weiß, wie gut jemand beispielsweise im Sprint über 30 Meter abschneidet. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, auch von skills.lab, die objektive Werte liefern und einen fußballerischen Entwicklungsstand diagnostizierbar machen. Wenn dieser Stand mit den Eindrücken aus den Trainings zusammenpasst, braucht man nicht mehr viel zu erklären. Dann geht es nur noch darum, wie sehr sich ein Spieler in welchem Bereich noch verbessern kann.

 

Haben die Spieler in Hoffenheim jederzeit Zugriff auf ihre Diagnostikdaten?

 

Mayer: Bei uns läuft das hochsystematisch ab. Zwei Mal im Jahr werden alle Spieler vermessen und die Ergebnisse mit ihnen und den Trainern besprochen. Ausgehend von den Daten erstellen wir individuelle Entwicklungspläne, um nach einem halben Jahr feststellen zu können, wie die Entwicklung gelaufen ist. Das ist unser Modell, das auf Normwerte gebaut ist. Deshalb ist es wichtig, ein paar Jahre zu messen, um genau sagen zu können, welche Normwerte zum Beispiel ein Außenverteidiger erreichen sollte.

 

Als Psychologe sprechen Sie in Vorträgen von einer „Culture of Excellence“, die Sie im Verein etablieren wollen und auch versuchen, sie anderen Unternehmen näherzubringen. Was verstehen Sie darunter?

 

Mayer: Excellence meint in diesem Zusammenhang nicht, dass man der Beste sein muss, sondern seine Potenziale entfalten soll. Dazu muss man bei sich selbst anfangen und verstehen, welche Voraussetzungen dafür notwendig sind, dass ich ein Kohärenzgefühl entwickle. Ist das der Fall und gibt es keine Negativität oder andere störende Emotionen wie Eifersucht oder Neid, dann bin ich auch beziehungsfähig und kann in einer Gruppe etwas erreichen. In der Gesellschaft wachsen wir aber leider so auf, dass wir in Konfrontation und weniger in Kooperation leben. Deshalb ist es so wichtig, bei einem selbst anzufangen. Das lebt der Fußball schön vor. Wenn du als Fußballer nicht kohärent bist und dich nicht maximal auf dein Team einlässt, wird das Team nicht funktionieren. Wir übertragen das vom Fußball ins tägliche Leben. Da wir sehen, dass das jedes Wochenende auf dem Platz funktioniert, ist es auch ein Anreiz, sich in den verschiedenen Funktionen im Alltag selbst zu hinterfragen und eigene Denkmuster und Emotionen zu erkennen.

 

Inwiefern kann man das individuell trainieren und daran arbeiten?

 

Mayer: Man muss in die Innenschau gehen und sich Fragen stellen: Warum bin ich gerade eifersüchtig oder neidisch? Was triggert mich? Das ist etwas Unangenehmes. Aber wir merken gar nicht, dass uns dieser Zustand letztlich gar nicht glücklich oder leistungsfähig macht. Da geht es dann darum, mit Ritualen zu arbeiten und sich zu fragen: Passen meine Gedanken gerade zu dem, was ich tun will? Oder stören sie mich und sind eigentlich destruktiv? Wenn du deine Gedanken wahrnehmen kannst, sollte dir auch klar sein: Du bist nicht deine Gedanken. Und wenn du dich von einem Gedanken distanzieren kannst, kannst du sie beobachten und gestalten und deinem Gehirn sagen, dass es sich mit etwas Konstruktivem beschäftigen soll.

 

Hilft diese Vorgehensweise auch Spielern in stressigen Situationen im Spiel?

 

Mayer: Natürlich. Mit Selbstgesprächen arbeiten wir in der Sportpsychologie schon lange. Dabei bereiten wir vor, in welcher Situation welcher Gedanke hilft. Wenn ein Spieler einen Elfmeter schießen muss, hilft es ihm nicht, wenn er sich überlegt, was die Medien am nächsten Tag schreiben, wenn er ihn danebenschießt. Da muss ein Spieler wissen, was in den Kopf muss. Wenn ich nichts denke, hat die Außenwelt eine Chance, mein Denken zu beeinflussen. Vielleicht auch positiv, aber meistens negativ. Und wenn ich mir selbst negative Gedanken mache und es nicht merke, dann bin ich selbst schuld. Im Spitzensport kann man so etwas früh lernen, indem man immer wieder in Stresssituationen getrieben wird und danach darüber reflektiert, worüber man nachgedacht hat. Da gibt es keine Standard-Gedanken. Jeder muss selbst lernen, mit solchen Situationen umzugehen.

 

Inwiefern hat der Fußball schon gelernt, Technologie zu implementieren, insbesondere wenn es um Talententwicklung geht?

 

Mayer: Es gibt schon sehr viele Technologien, die uns helfen, Vorgänge zu objektivieren. Es begann im medizinischen Bereich, wo Diagnostik das Normalste auf der Welt ist. Schließlich will jeder sein Fieber gemessen bekommen und nicht nur, dass jemand die Hand auf die Stirn legt und schätzt. Das Ganze wurde auf die Athletik übertragen, dabei kam dann die Frage auf, inwiefern eine Messung darüber aufklärt, wie gut jemand Fußball spielt. Dafür gibt es Verfahren wie von skills.lab, bei denen du diese Komplexität ins Labor holst. Dort kannst du einen Blumenstrauß an Faktoren auseinandernehmen. In der Wirtschaft würde man so etwas Assessment-Center nennen, in dem ich bestimmte Situationen genau simulieren kann.

 

Was könnte der nächste Schritt in dieser technologischen Entwicklung sein?

 

Mayer: Vielleicht geht es in die Richtung, die ich bereits mit meinem Kultur-Gedanken versucht habe zu skizzieren. Also dass man sich ansieht, wie man in einen Flow-Zustand kommt und so etwas wie Teamspirit entsteht. Hier gibt es auch bereits verschiedene Ansätze, die wir ausprobiert haben, um mithilfe von Herzratenvariabilität so etwas wie ein Koheränzgefühl zu bestimmen. Im Idealfall könnte man dann von außen sehen, ob sich ein Spieler gerade in seiner Kohärenz befindet oder nicht. Diese Komponente messbar zu machen, das wäre spannend.

 

 

Das ist Prof. Dr. Jan Mayer

Prof. Dr. Jan Mayer ist Sportwissenschaftler und Diplom-Psychologe. Er lehrt an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken und ist Honorarprofessor am Sportwissenschaftlichen Institut des Saarlandes. Als Sportpsychologe betreut Mayer seit über 20 Jahren Spitzensportlerinnen und -sportler aus verschiedenen Disziplinen, darunter sowohl Einzelsportlerinnen und -sportler als auch Teams und Nationalmannschaften. Bei der TSG Hoffenheim begann Mayer 2008 als Sportpsychologe und wurde 2021 in der Geschäftsführung berufen, wo er sich um Innovation, Wissenschaft und Unternehmensentwicklung kümmert.