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Vom Talent zum Profi: Die Challenge der letzten Hürde
Daten als Schlüssel zum amerikanischen Traum 8
Andreas Terler
Editor
Vom Talent zum Profi: Die Challenge der letzten Hürde

Wer den Sprung vom Jugend- in den Profifußball schaffen will, braucht nicht nur Talent, sondern auch die richtige Unterstützung in seiner Entwicklung. Für Vereine und Verbände ist die finale Phase der Ausbildung von Spielern eine Herausforderung, sie bietet aber auch enorme Chancen.

 

 

Arsene Wenger hat in seiner Trainerkarriere viele Spieler kommen und gehen sehen. 222 Spieler setzte der Franzose in 22 Jahren beim FC Arsenal ein. Dabei bewies er immer ein besonderes Auge für Talente und versuchte diese möglichst früh zu fördern und einzusetzen. Spieler wie Patrick Vieira oder Thierry Henry formte Wenger zu Weltstars, viele andere reiften mit Anfang 20 zu Stammspielern in der Premier League.

 

Jedes Jahr versuchen unzählige Talente, den Übergang vom Nachwuchs- zum Profifußball zu schaffen. Neben rein sportlichen Aspekten entscheiden auch persönliche Eigenschaften darüber, ob sich Spieler etablieren oder nicht – etwa Motivation, Durchhaltevermögen oder auch die Fähigkeit, Rückschläge zu überwinden. Nicht wenigen bleibt der Traum verwehrt. Auch, weil in dieser Phase Unterstützung fehlt.

 

„Diese Übergangsphase ist die entscheidende mentale Hürde in der Entwicklung eines Spielers“, sagt Wenger, der seit 2019 für die FIFA als Chief of Global Football Development tätig ist. „Mit 17 Jahren hat man alle Werkzeuge beisammen, die es braucht, um Profi zu werden. Dann liegt es an den Spielern. Um weiterzukommen, brauchen sie aber die Möglichkeit zu spielen“, sagt der 73-Jährige und ergänzt: „Im Moment helfen wir Spielern in diesem Alter nicht gut genug.“

„Zu viele talentierte Youngsters verschwenden aber ihre Zeit auf der Bank von Topteams, anstatt Erfahrung auf dem Platz zu sammeln."
Arsene Wenger - FIFA Chief of Global Football Development

Fehlende Strategien in einer heiklen Phase

 

Untermauert werden diese Aussagen im aktuellen FIFA Global Report, in dem das Ökosystem Talententwicklung analysiert und die Aufgaben der verschiedenen Stakeholder in diesem Bereich im Detail beleuchtet werden. So ergab eine Umfrage unter den FIFA-Verbänden, dass nur in 43 Prozent der Top-100 Verbände eine eigene Strategie für den Übergang von Spielern vom Nachwuchs- zum Profifußball zur Anwendung kommt. Darin sollte beispielsweise auf die individuellen Anforderungen der Spieler in ihrer Entwicklung eingegangen oder die Möglichkeiten optimiert werden, sich auf Wettbewerbsebene zu beweisen.

 

Wie schwierig es für Talente aus Topnationen ist, in ihrer Heimat auf sich aufmerksam zu machen, zeigt vor allem der Blick auf die Vereinsebene. In den zehn Topligen bekommen einheimische Spieler im Alter zwischen 18 und 21 Jahren 30 Prozent weniger Einsatzzeit als Spieler aus dem Ausland. Dabei wirkt sich das Heranführen von Jugendspielern ans Profiniveau extrem positiv auf die jeweilige Entwicklung aus. Gibt man Talenten die Chance, sich zu beweisen, stärkt man ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und motiviert sie zusätzlich dafür, sich auf höchsten Level zu etablieren. Um diesen Prozess voranzutreiben, brauchen diese Spieler die nötige Einsatzzeit.„Zu viele talentierte Youngsters verschwenden aber ihre Zeit auf der Bank von Topteams, anstatt Erfahrung auf dem Platz zu sammeln“, sagt Wenger.

 

Worauf erfolgreiche Akademien setzen 

 

In der Phase des Übergangs ist die Aufmerksamkeit von Talenten auf verschiedene Teams mit unterschiedlichen Interessen verteilt, was schnell dazu führen kann, den Fokus zu verlieren. Klubs seien daher gefordert, individuelle Lösungen für ihre Spieler in dieser Altersklasse zu finden. Konkrete Strategien über zwei, drei Jahre helfen dabei, in dieser Zeit die richtigen Schritte zu setzen, um negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Spieler zu verhindern. Erfolgreiche Vereine setzen in diesem Zusammenhang auf eigene Mentoren. Diese persönlichen Ansprechpartner achten darauf, dass Talente nicht zwischen ergebnisorientiertem Profifußball, persönlicher Entwicklung und schulischen Ausbildung zerrieben werden.

Der Grundstein für einen erfolgreichen Sprung vom Nachwuchs- in den Profifußball wird in den Akademien gelegt. Die FIFA hat in einer Studie unter mehr als 1.000 Akademien verschiedene Qualitätsmerkmale festmachen können, die erfolgreiche Nachwuchszentren auszeichnet. Dazu zählt unter anderem der stärkere Fokus auf die individuelle Entwicklung der Talente. Diese gelingt erfolgreichen Akademien vor allem unter Einbindung unterstützender Technologie, mit deren Hilfe effizienter gescoutet bzw. im Training die spielerische und kognitive Entwicklung einzelner Spieler treffsicher gefördert und genau beobachtet werden kann. 69 Prozent der Akademien weltweit setzen beispielsweise noch nicht auf Videoanalyse in der individuellen Entwicklung ihrer Spieler. Die Integration von Technologie zur Unterstützung und Beobachtung der Entwicklung einzelner Spieler stellt eine wesentliche Handlungsaufforderung der FIFA dar, wenn es darum geht, die Nachwuchsarbeit in Akademien zu verbessern.

 

Welche Klubs binden den eigenen Nachwuchs erfolgreich ein?

 

Wie gut der Übergang vom Nachwuchs zum Profibereich gelingt, lässt sich anhand der Einsatzzeit von Spielern in den ersten Mannschaften von Teams ablesen, die im eigenen Verein ausgebildet worden sind. In einem aktuellen Report der Fußball-Forschungsgruppe CIES Football Observatory werden die Teams aus 27 europäischen Ligen anhand ihrer Einsatzzeiten für Spieler, die mindestens drei Jahre im eigenen Verein ausgebildet wurden, gerankt.

 

Mannschaften, die in der laufenden Saison 2022/23 mehrheitlich auf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs setzen, bilden dabei die absolute Ausnahme. Aus den Top fünf Ligen in Europa sind es mit Athletic Club aus Spanien (56,5 Prozent) und Olympique Lyonnais aus Frankreich (52,1 Prozent) lediglich zwei. Die höchsten Werte aus den anderen Topligen liefern der SC Freiburg aus Deutschland (30,9 Prozent), Brighton & Hove aus England (26,9 Prozent) und die AS Roma aus Italien (17,7 Prozent). Besonders viel Einsatzzeit für Spieler aus dem eigenen Nachwuchs bietet sich auch bei jenen drei Vereinen, die in den letzten fünf Jahren die höchsten Transfererlöse erzielt haben. Dazu zählen SL Benfica aus Portugal (25,7 Prozent), AFC Ajax aus den Niederlanden (39,6 Prozent) und Red Bull Salzburg aus Österreich (38,3 Prozent). 33 Teams in der Auflistung haben keinen einzigen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs im Profikader, darunter auch Teams aus den Topligen wie Olympique de Marseille, Union Berlin oder Bologna.

 

Die Zahlen zeigen, dass Vereine aller Größen und Ligen vor Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, Nachwuchsspielern den Übergang so zu ermöglichen, dass diese dann auch nachhaltig bei den Profis Fuß fassen können. Viele Vereine, aber auch nationale Verbände, messen dieser Phase noch zu wenig Bedeutung zu. Einsatzzeit auf dem höchsten Level beeinflusst die Entwicklung eines Spielers entscheidend. Eine erfolgreiche Strategie muss aber schon früher ansetzen und Spieler individuell, etwa in Form eines Mentorenprogramms, bei ihren letzten Schritten am Weg zum Profi begleiten.