Während des Talent Development Summit 2025 wurde deutlich, dass wir uns mitten in der Datenrevolution im Fußball befinden und sie sich immer weiter entwickelt.
Für die Vorreiter im Bereich Data Science geht es längst nicht mehr darum, mehr Daten zu sammeln, sondern darum, Aussagen zu schaffen, die direkt in die Spielerentwicklung einfließen. Technologien und Umgebungen wie die skills.lab Arena, die von mehreren Vereinen während des Summits in ihren Präsentationen erwähnt worden ist, verkörpern diese Entwicklung und schließen die Lücke zwischen Daten und Spielerentwicklung.
Die übergreifenden Themen aus Sicht der Spielerentwicklung und -performance drehten sich um datengestützte Überprüfung von Entscheidungen, die Verringerung von Verzerrungen durch strukturiertes Beobachten und die Gestaltung datengestützter Trainingsumgebungen, die ein Gleichgewicht zwischen Struktur und der Freiheit der Spieler schaffen, Risiken einzugehen und zu lernen.
In allen Vereinen und Akademien war ein eindeutiger Schwerpunkt auf Benchmarking, Plan-Do-Review-Zyklen und der Integration von Daten aus verschiedenen Quellen erkennbar, um langfristige Strategien zu entwickeln. Die Speaker haben immer wieder die Notwendigkeit betont, quantitative Erkenntnisse mit menschlichem Urteilsvermögen in Einklang zu bringen, um über reine Kennzahlen hinauszublicken und gleichzeitig sicherzustellen, dass jede Phase des Entwicklungsprozesses evidenzbasiert und messbar ist.
Ein weiteres wichtiges Thema war die Verlagerung des Fokus von der kurzfristigen Leistung auf das nachhaltige Potenzial junger Spieler, unterstützt durch Überlegungen zum biologischen Alter, kognitiven Profiling, Raum für Fehler und sensorisch angereicherte motorische Lernumgebungen. Der Summit unterstrich damit, dass Daten im Kontext (die gemeinsam von Analysten, Trainern und Spielern interpretiert werden) das Rückgrat der modernen Talentförderung bilden.
Die erste Keynote von Richard Allen (High Performance Specialist & Talent ID Lead bei der FIFA) griff das große Thema des ersten Tages mit einem Plan-Do-Review-Modell für Strategien zur Talentidentifizierung und -entwicklung auf. Seine Präsentation fand großen Anklang und betonte die Verantwortung bei der Bewertung, ob umgesetzte Strategien messbare Ergebnisse liefern. Dieses Thema tauchte später erneut auf, beispielsweise in Amilcar Carvalhos Ausführungen über die Überarbeitung der Strategie von Lech Poznań zur Verfeinerung der Akademieprozesse. Er zeigte, dass Datenstrategien nicht statisch, sondern zyklisch sind und sich selbst korrigieren, wenn man darauf achtet, die Ergebnisse auch zu überprüfen.
Allen betonte außerdem die Wichtigkeit von strukturierten Rahmenbedingungen in der Talentidentifikation nach dem Prinzip „multiple eyes, multiple times“. Vereine sollten seiner Meinung nach die Talente der Spieler laufend überprüfen, sowohl entlang ihres Entwicklungsweges innerhalb des Vereins, aber auch im Vergleich zur regionalen, nationalen und globalen Konkurrenz.
Nuno Maurício (Leiter der Abteilung für Performance-Analyse bei SL Benfica) hat in seiner Keynote gezeigt, wie eine robuste Dateninfrastruktur detaillierte Analysen in Maßnahmen umsetzen kann.
Mit mehr als einem Dutzend Software- und Hardwarequellen ist die interne Datenbank von Benfica ein Musterbeispiel für Integration in großem Maßstab. Maurício hat dabei insbesondere die entscheidende Bedeutung der Interpretation der Daten betont und eingeräumt, dass einige Spieler zwar nicht den idealen Datenprofilen entsprechen, aber dennoch auf dem Spielfeld hervorragende Leistungen erbringen. Hier fungieren die Analysten besonders als Übersetzer von Erkenntnissen, die die Entscheidungen der Trainer unterstützen, aber niemals ersetzen sollen.
Maurício erklärte auch, dass viele der Analysten von Benfica aus den eigenen Praktikumsprogrammen des Vereins stammen, wodurch sichergestellt wird, dass ihre Datenkultur von innen heraus wächst und sich auf natürliche Weise an die Fußballphilosophie des Vereins anpasst. Dieses gemeinsame Verständnis und die enge Zusammenarbeit zwischen Analysten, Wissenschaftlern und Trainern sorgen dafür, dass Erkenntnisse aus Daten in praktische Anwendungen auf dem Trainingsplatz umgesetzt werden, was zu individuelleren Entwicklungsplänen und schnelleren Feedback-Schleifen führt. Durch die Verbindung von Analyse und Praxis zeigt Benfica, wie eine gut integrierte Datenkultur sowohl die Entscheidungsqualität als auch das Wachstum der Spieler verbessern kann.
Dr. Michael Senske (Datenwissenschaftler beim FC Bayern) hat eine der datenorientiertesten Keynotes des Summits gehalten. Aufbauend auf dem Vortrag seines Kollegen Oskar Kretzinger aus dem letzten Jahr, der die Nutzung der skills.lab Arena zur Verbesserung der letzten Prozentpunkte der Leistung von Elite-Nachwuchsspielern demonstriert hat, konzentrierte sich Dr. Senske auf deren Rolle als kontrollierte, hochfrequente Testumgebung. Er hat davon berichtet, dass mehr als 2.000 technische und 1.000 kognitive Screenings durchgeführt wurden, deren Ergebnisse als messbare, wiederholbare Leistungsdaten dienen und die wichtige Informationen für Entwicklungsentscheidungen liefern.
Seine internen Analysen bestätigten eine hohe Test-Retest-Zuverlässigkeit (wiederholte Bewertungen in ihrer skills.lab Arena liefern sehr konsistente Ergebnisse) und bestätigten damit die Eignung der Arena als verlässliches wissenschaftliches Instrument für die Bewertung und Entwicklung von Spielern. Dr. Senske hat außerdem festgestellt, dass die Beidbeinigkeit durchaus bemerkenswert ist, aber nur einen begrenzten Vorhersagewert für die Auswahl in der Akademie hat. Er hat vor allem daran erinnert, bequeme Messgrößen nicht überzubewerten, sondern Erkenntnisse in einen ständigen Plan-Do-Review-Zyklus zu integrieren, um so Strategien zur Talentbewertung zu verfeinern.
Steffen Barthel (TSG ResearchLab) hat seine laufende Forschungsarbeiten zum kognitiven Training und dessen Übertragung auf die Leistung auf dem Spielfeld vorgestellt, wobei der Schwerpunkt auf der Entscheidungsfindung lag. Er untersucht, wie das Training in immersiven virtuellen Umgebungen – entweder mit Virtual-Reality-Brillen (VR) oder mit der Helix, einem von skills.lab für das TSG ResearchLab entwickelten, virtuellen 360°-Umgebung – die wahrnehmungsbezogene und kognitive Anforderungen von Spielsituationen nachbilden kann.
Barthel hat besonders auf die methodischen Herausforderungen beim Vergleich dieser Systeme hingewiesen: Spieler zeigen mit VR-Brillen andere Blickverhaltensmuster als in der Helix, was die Bewertung von Blickgewohnheiten und Wahrnehmung erschwert. Dennoch lassen die Daten bereits klare Verhaltensmerkmale für Spitzenleistungen erkennen. Die besten Spieler scannen das Spielfeld in den 10 Sekunden vor dem Ballannahme mindestens acht Mal und tun dies mit präzisem Timing während der Ballbewegung und zwischen den Ballberührungen, um Entscheidungen darüber zu treffen, ob sie den Ball behalten oder einen Pass versuchen.
Seine Forschung unterstreicht, dass nicht nur die Reaktionsgeschwindigkeit, sondern auch die Qualität der Entscheidungsfindung Spitzenleistungen auszeichnet und dass repräsentative, wahrnehmungsreiche Trainingsumgebungen für die Entwicklung dieser kognitiven Fähigkeiten von entscheidender Bedeutung sind.
Paul Schaffran (Leiter des Jugendleistungszentrums bei Borussia Dortmund) hat einen der eindrücklichsten Präsentationen des Summits gehalten. Anhand verschiedener Karrieren von Akademieabsolventen stellte Dortmund fest, dass frühreife Spieler überproportional vertreten waren (und dass man sich zu sehr auf sie verließ, um Akademie-Wettbewerbe in jungen Jahren zu gewinnen) und reagierte darauf mit der Einführung von Bio-Banding (Gruppierung der Spieler nach biologischem statt chronologischem Alter) während einiger Trainingseinheiten.
Der Einsatz nicht-invasiver Methoden zur Beurteilung der biologischen Reife wurde bereits in der Präsentation von Dr. Jan Spielmann (TSG ResearchLab) im letzten Jahr vorgestellt und findet zunehmend Verbreitung in Akademien auf der ganzen Welt. Durch die Einführung von wöchentlichen Bio-Banding-Trainingseinheiten wurden Chancen und Erkenntnisse neu ausbalanciert, sodass Trainer auch spät entwickelte Spieler erkennen können, die bei einer Beurteilung allein anhand ihrer früh entwickelten Altersgenossen möglicherweise übersehen worden wären.
Die damit einhergehende Veränderung der Denkweise, weg von der Bewertung der „momentanen Leistung” junger Spieler hin zur Förderung ihres langfristigen Potenzials, verkörpert eine datengestützte Kultur, die aus ihren eigenen Vorurteilen lernt. Das ultimative Ziel von Dortmund ist es nicht, frühe Gewinner hervorzubringen, sondern widerstandsfähige, anpassungsfähige Erwachsene zu entwickeln, die langfristig im Profifußball erfolgreich sind und sich voll entfalten können.
Amílcar Carvalho (stellvertretender Direktor der Akademie bei KKS Lech Poznań) hat sich diesen Auführungen angeschlossen und hob hervor, wie selbstreguliertes Lernen nach dem Trial-and-Error-Prinzip in der skills.lab Arena zu einem leistungsstarken Instrument für die Kompetenzentwicklung ihrer Jugendakademie geworden ist. Seine Erkenntnisse, dass implizites Lernen oft explizite Anweisungen übertrifft, stehen im Einklang mit den Prinzipien, über die Dr. Felix Proessl später sprechen sollte.
Laut Carvalho führt es zu einem stärkeren Transfer der Fähigkeiten auf echte Spielsituationen, wenn man den Spielern Raum zum Experimentieren, zum Machen von Fehlern und zur Selbstkorrektur gibt. Anstatt identische Routinen zu wiederholen, werden die Trainingseinheiten bewusst variiert, um die Unvorhersehbarkeit des Spiels widerzuspiegeln. Er führte einen Spieler als Beispiel an, der nach solchen gezielten, spielrelevanten Trainingseinheiten in der skills.lab Arena seine Ballkontakte pro Ballbesitz von drei bis vier auf zwei reduzieren konnte – ein klarer Beweis für einen messbaren Transfer der Leistung auf den Platz. Die Arena wird auch für regelmäßige, datenbasierte Bewertungen der Fähigkeiten genutzt, und Lech Poznań hat maßgeschneiderte Testbatterien entwickelt, die auf die eigene Spielphilosophie abgestimmt sind.
Carvalho hat dabei betont, dass Entwicklung selten linear verläuft. Konsistente Spielzeit, sei es in der Akademie, in der ersten Mannschaft oder per Leihe bei einem anderen Verein, ist entscheidend, um Potenzial in Leistung umzuwandeln. Ein erfolgreiches System, so seine Argumenteation, muss kontinuierlich messen, überprüfen und sich an den Entwicklungsweg jedes einzelnen Spielers anpassen.
Auf organisatorischer Ebene definieren dieselben Prinzipien die neue Vereinskultur von Lech Poznań. Carvalho beschrieb, wie Lech Poznań zu einer sogenannten „selbstlernenden Organisation” geworden ist, in der Daten nicht nur gesammelt, sondern aktiv genutzt werden, um Annahmen zu hinterfragen, Experimente anzuleiten und kollektive Verbesserungen voranzutreiben. Hier sind Rückschläge keine Misserfolge, sondern Feedbackschleifen, die es dem Verein ermöglichen, sich nach jedem Bewertungszyklus wie ein Phönix mit schärferen Erkenntnissen und stärkeren Prozessen zu erheben.
Abdulaziz Alkhereiji (Vizepräsident für Unternehmensdienstleistungen bei der Mahd Academy) lieferte ein eindrucksvolles Beispiel für Skalierung und Automatisierung. Durch die Mobilisierung aller Lehrer im ganzen Land zur Bewertung der Fähigkeiten von einer Million Schulkindern stellen sie sicher, dass sie über verborgene Talente im ganzen Land auf dem Laufenden sind. Darüber hinaus führt die Mahd Academy Fußball-Tryouts mit einer KI-Anwendung zur Talentfindung im Sport durch. Ein Ansatz, der zeigt, wie Technologie den Talentepool erweitern kann. Die Arbeit der Academy geht noch weiter, von der Förderung des Sports und dem Bau von Sportstätten in Schulen bis hin zur Entwicklung von Talenten auf allen Ebenen.
Dr. Felix Proessl (Senior Director of Sports and Data Science bei Colorado Rapids) erinnerte daran, dass „das Spiel der beste Lehrer ist und es keinen wirklichen Ersatz für Spielminuten gibt“, und fasste damit die gemeinsame Erkenntnis des Summits prägnant zusammen: Daten verfeinern die Intuition, aber Erfahrungen auf dem Spielfeld bleiben der Schlüssel zur Entwicklung.
Seine Präsentation über die Kopplung von Wahrnehmung und Handlung sowie sensorisch angereicherte Umgebungen untermauerte, dass Lerntransfer am besten stattfindet, wenn das Training die Komplexität des Spiels nachahmt. Empirische Erkenntnisse wie eine dreiprozentige Steigerung der Sprintgeschwindigkeit, wenn der Ball und ein kleines Tor dabei im Spiel sind, veranschaulichen die konkreten Vorteile der kognitiv-motorischen Integration. Die Erkenntnis, dass „Neuronen, die gemeinsam feuern, sich miteinander verbinden“, ist ein überzeugendes Argument für variable Lernumgebungen, die reale Spielbedingungen simulieren.
Antonio Gutiérrez López (Leiter des Neurowissenschaftsprojekts beim FC Sevilla) hat diese datenwissenschaftliche Sichtweise noch erweitert. Er stellte sein Neurowissenschaftsprojekt in der Akademie des FC Sevilla vor, das darauf abzielt, die kognitiven Leistungen der Spieler zu verbessern. Um die kognitiven Anforderungen zu erhöhen und gleichzeitig realistische Bedingungen zu schaffen, die den Lerntransfer unterstützen, wurde das Trainingsfeld auf ein Viertel seiner Größe reduziert, sodass die Spieler unter räumlichem und zeitlichem Druck schnellere und präzisere Entscheidungen treffen müssen.
Das Projekt umfasst eine digitale, spielerisch gestaltete Testbatterie, um kognitive Faktoren wie Reaktionsfähigkeit, Detailwahrnehmung, Filterung, Selbstreflexion und Überblick zu erfassen. Seine Erkenntnisse zeigen einen quantifizierbaren Zusammenhang zwischen der Vorausschau-Fähigkeit der Spieler und einer erhöhten Spielzeit in den Spielen, was die konkreten Auswirkungen der Kognition unterstreicht.
Durch die Kombination von kognitiven Bewertungen mit kontinuierlicher Verbesserung fügt sich sein Rahmenkonzept nahtlos in die übergeordneten Themen des Gipfels ein: Strategie, Handlung und Reflexion. Letztendlich hat seine Arbeit gezeigt, dass kognitive Agilität ebenso messbar und entscheidend ist wie körperliche Fitness, was sein Leitprinzip untermauert: Was nicht gemessen werden kann, existiert nicht.
Über Vereine, Kontinente und Methoden hinweg hat der Talent Development Summit eine Erkenntnis gezeigt: Die Zukunft der Talentförderung im Fußball liegt in der intelligenten Verschmelzung von Daten und der menschlichen Perspektive. Von der Forderung der FIFA nach strategischem Benchmarking bis hin zu den Datenökosystemen von Benfica, von den validierten Skill-Batterien des FC Bayern bis hin zum Bio-Banding von Dortmund – jede Keynote und jede Podiumsdiskussion hat gezeigt, dass Fortschritt nicht davon abhängt, mehr Daten zu sammeln, sondern davon, mit diesen Daten bessere Fragen zu stellen und so bessere Lösungen zu finden.
Die Conclusio war klar: Es muss gemessen werden, was wichtig ist, bestehende Modelle hintefragt werden, skaliert, was funktioniert und das Gelernte auf alle Ebenen des Spiels übertragen werden. Und man darf niemals vergessen, sich ständig zu überprüfen. So sieht sie aus, die neue Kultur der kontinuierlichen Entwicklung im Fußball.